Politisches Statement von Bundestagskandidat Stefan Rouenhoff anlässlich eines Gesprächs mit Kirchen- und Wirtschaftsvertretern
KALKAR, 19. FEBRUAR 2017
Im Jahr 2010 hat das Bundesverfassungsgericht auf Basis des verfassungsrechtlich verankerten Sozialstaatsprinzips geurteilt, dass in Deutschland ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum besteht. Das Grundrecht sorgt in Verbindung mit den hierzulande bestehenden sozialen Sicherungssystemen dafür, dass bei uns kein Mensch in absoluter Armut leben muss. Das schließt jedoch nicht aus, dass Menschen in Deutschland in relativer Armut leben.
Laut aktuellen Statistiken sind – relativ gesehen – etwa 12,5 Millionen Menschen arm oder von Armut gefährdet. Es ist eine gemeinsame Verantwortung von Politik, Wirtschaft und sozialen Einrichtungen, ein Abdriften gesellschaftlicher Gruppen in Armut zu verhindern und die relative Armut in unserem Land zu vermindern, um so auch der steigenden Skepsis gegenüber unseres demokratisch verfassten Rechts- und Sozialstaates entgegenzutreten.
Die schulische und berufliche Ausbildung junger Menschen ist ein zentraler Baustein hierfür. Junge Menschen müssen entsprechend ihrer persönlichen Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Denn schulische und berufliche Qualifikationen eröffnen Aufstiegschancen und beugen damit Armut vor. Die seit den 1990er Jahren wachsende Lohnungleichheit, die ihren Ausdruck nicht zuletzt in exzessiven Managergehältern einzelner börsennotierter Unternehmen fand, erfordert eine grundlegende wirtschafts- und verantwortungsethische Diskussion aller beteiligten Akteure.
Spitzengehälter und Durchschnittsgehälter müssen wieder in ein vernünftiges Verhältnis zueinander gebracht werden. Die Mittelschicht muss wieder in den Blickpunkt gerückt und durch steuerliche Entlastungen gestärkt werden. Denn eine breite Mittelschicht ist das Fundament unserer Sozialen Marktwirtschaft. Bei der Armutsbekämpfung müssen darüber hinaus die gesellschaftlichen Veränderungen verstärkt berücksichtigt werden.
So kann ein besseres Netz an Betreuungseinrichtungen das Armutsrisiko einer zunehmenden Zahl von Alleinerziehenden senken. Besonderes Augenmerk muss in diesem Zusammenhang auch auf die Altersarmut gelegt werden. Die durch den demografischen Wandel verursachte Verschiebung des Verhältnisses zwischen Erwerbstätigen und Rentnern erschwert eine ausschließlich beitragsfinanzierte Rente. Daher ist es notwendig, neben der beitragsfinanzierten Rente auch andere Optionen in Erwägung zu ziehen.
So müssen etwa größere Anreize für die betriebliche Altersvorsorge – zum Beispiel Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen oder Betriebsrenten – geschaffen und Änderungen an der staatlich geförderten, privaten Altersvorsorge vorgenommen werden. Bei aller Bedeutung des finanziellen Aspekts von Armut müssen wir jedoch auch die soziale und kulturelle Teilhabe im Blick behalten. Sie wirkt wie eine Brandschutzmauer gegen Armut und stärkt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
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